Wochenbettpsychose – Ein Bericht über Depressionen und ein Weg daraus (Teil 1)
Sitze hier am Frühstückstisch mit Tausend Gedanken. Mein Gehirn kommt einfach nicht zur Ruhe. “System überlastet,“ meinte der Psychologe. Daher diese Speicherfehler. Mal werden Episoden aus meinem Alltag bzw. Leben vor der Schwangerschaft ausgeblendet oder in jeden Tag im Traum in Form von aneinandergereihten Ereignissen aus meinem Alltag verarbeitet.
Jeden Tag versuche ich ein Stück zu verarbeiten. Diese Wochenbettpsychose. Allein wenn ich daran denke, will ich losschreien. Am liebsten so laut, dass es jeder in dieser Welt hören kann, doch dann, plötzlich, hält mich irgendetwas davon ab. Etwas was mich ganz tief nach unten zieht. Die Angst nicht verstanden zu werden, verurteilt zu werden oder dass man mir das Kind abnehmen wird. Heimlich recherchiere ich im Internet und das immer und immer wieder. Habe schon fast alle Materialien durchsucht: Filme, Bücher, Websites. Mal mit dem Hintergedanken, ich muss etwas finden, was mir hilft, um mich selbst zu heilen, mal um eine Antwort auf meine zahlreichen Fragen zu finden. „Warum ich“, denke ich oft. „Habe ich mir das eventuell selbst zuzuschreiben?“ Diesen Gedanken versuche ich dann schnell wieder zu vertreiben. So schnell und ängstlich, als habe man etwas verbrochen und sei in illegale Aktivitäten verstrickt und die Drogen, die man soeben an den Mann bringen wollte, ganz schnell unter den Tisch kehrt, um nicht aufzufallen, nicht ertappt zu werden, nicht eingebuchtet zu werden.
„Du bist jung, schön und hast ein gesundes Kind – und ich dachte du bist das glücklichste Mädchen auf der ganzen Welt“, sagt eine Freundin zu mir. Der Schein täuscht. Niemand ahnt, was sich hinter dieser schönen Fassade verbirgt:
Schmerzhalluzinationen, tagelang aus heiterem Himmel mehrmals am Tag Geburtswehen, die mehrere Stunden anhielten. Ich schrie, ich hielt mich fest – Das, obwohl die Geburt durch einen Notfallkaiserschnitt schon etliche Tage hinter mir lag!
Hatte einen schwerwiegenden mit der Psychose einhergehenden Gedächtnisverlust. Traute mich vor Angst wochenlang nicht vor die Haustür, doch mein Mann nahm mich mit zum Rewe. Wie der kleine Tarzan aus dem Dschungel, der zum ersten Mal die Welt erblickt, wollte ich alles anfassen und spüren, denn ich hatte all diese Sachen noch nie gesehen: „Achso, wusste gar nicht dass es das auch gibt!“ Wusste nicht einmal mehr, wer ich selbst war. Weder Namen noch sonst etwas wie Beruf oder wo ich wohne, geschweige denn, dass ich muslimisch bin. Saß an Silvester am Fenster am Balkon und malte mir aus, wie es denn wäre aus dem Balkon zu springen. Zum Glück erinnerte mich eine innere Stimme kurz daran, dass ich muslimisch sei und dies in meinem Glauben nicht erlaubt sei! Alhamdolliah.
Manische Phasen wechselten sich mit depressiven Phasen ab. Mal fühlte ich mich wie Superman, lief aufrecht und verspürte überhaupt keinen Schmerz an meiner Wunde. Hätte im wahrsten Sinne des Wortes Bäume ausreißen können! Dann aber, wie die gespaltenen Persönlichkeiten von Dr. Jekyll und Mr. Hyde fielen meine Schultern nach vorn. Ich lief gebückt wie eine sehr alte Dame, verspürte starke stechende Schmerzen im Unterleib. Wenn es dabei geblieben wäre. Nein, es musste noch schlimmer kommen. Während ich saß, machte mein Kopf kreisende Bewegungen, die ich egal wie sehr ich mich anstrengte, nicht bremsen konnte. Mein Unterbewusstsein, der Kummer in sich barg, fing an, mich sprechen zu lassen. Ich konnte es nicht kontrollieren. Ich sagte ohne Punkt und Komma alles, was mich je gekränkt hatte – und unzensiert – förmlich von Geistern besessen.
Und dann soll einer sagen: „Schau nach vorn! Du hast doch jetzt ein gesundes Kind! Sei doch glücklich!“
Habt Mut, verurteilt euch nicht selbst, versteckt euch nicht, vergesst nicht: ihr habt nichts verbrochen! Nun müsst ihr an euch denken. Denn erst dann könnt ihr für andere da sein.
Seht es als Chance an, denn ihr werdet von Gott wachgerüttelt euer Leben zu verändern. Betet viel und bittet Huzur um Dua, konsultiert Psyschiater und Psychologen, denn eine Behandlung ist keine Schande! Es muss nicht immer stationär sein. Geht in eine Tageklink! Es gibt auch ambulante Mutter-Kind-Einrichtungen. Ich war auch dort und ich muss sagen es hat mir sehr geholfen. Seht mich an, nach zwei ein halb Jahren, bis auf ein zwei wenigen Beeinträchtigungen, stehe ich wieder mitten im Leben! Keine Sorge, es war keineswegs wie ein Krankenhaus, sondern wie ein schöner Urlaubsort für Mütter. Und das Beste ihr seid hauptsächlich unter Frauen und könnt euch in Ruhe erholen.
Und für diejenigen, die depressiven Menschen begegnen, bitte verurteilt sie nicht oder distanziert euch nicht von Ihnen, sondern betet für sie und nehmt Rücksicht auf sie, denn depressive Menschen denken ungewollt sehr negativ, haben oft starke Konzentrationsprobleme, und leiden meist unter starker Antriebslosigkeit. Seid einfach für sie da!
In Teil 2 erzählt die Lajna von ihrer Therapie und von Methoden, die ihr geholfen haben.
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