
Die Depression
„Und bei der Nacht, wenn sie am stillsten ist, (…)“ (93:3)
„Ich bin depri.“ – Ganz oft hört man in seiner Umgebung solche oder ähnliche Aussagen. Es scheint, als ob jeder eine Depression hätte, weil man ja hin und wieder deprimiert ist. Dann weint man angeblich viel und ist tief traurig. Scheinbar ist es also ein Normalzustand, den jeder mal durchlebt.
Tatsächlich muss man hier aber zwischen einer Erkrankung und einem Gemütszustand unterscheiden, der jeden Mal treffen kann, denn das Leben gibt einem unterschiedliche Farben, die mal düster sind, mal heller sind und die mal nicht klar zu unterscheiden sind. Trauer gehört ebenso zum Leben dazu, wie Glück und Liebe. Traurig zu sein, ist also noch lange keine Depression. Derzeit gibt es in der Medizin Klassifikationssysteme, die bei der Diagnose einer Erkrankung helfen sollen. Die ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) wird von der World Health Organization (WHO) herausgegeben. Dieses System soll uns dabei helfen verschiedene Erkrankungen zu diagnostizieren. Psychische Erkrankungen sind im Kapitel 5 vermerkt. F30 bis F39 sind sogenannte affektive Störungen (Störungen des Affektes, also Störungen der Stimmung), zu denen eben auch die Depression zählt. Das Leben wäre einfach, wenn die Depression einfach die Depression wäre, aber dem ist nicht so. Dieses Erkrankungsbild wird noch weiter unterteilt. Es gibt Haupt- und Zusatzsymptome, je nachdem wie viele Hauptsymptome und wie viele Zusatzsymptome man hat, kann der Schweregrad unterschieden werden. Hautsymptome wären zum Beispiel die Stimmung (niedergeschlagen), Antriebsmangel (Alltagsdinge können nicht mehr zur rechten Zeit erledigt werden), Interessenverlust. Zusatzsymptome können sein: Konzentrationsschwierigkeiten, Schuldgefühle, Gefühle der Minderwertigkeit und noch einige mehr.
Gründe einer Depression sind vielfältig. Man kann mit der Genetik anfangen und kann und darf an alle Faktoren denken, die das Leben eines Menschen beeinflussen können. Es kann eine Gratifikationskrise zugrunde liegen, man kann aber auch unsere Neurobiologie für schuldig erklären. Monaminerge Neurotransmitter wie Dopamin, Serotonin und Noradrenalin werden zur Mangelware; daher versuchen viele Medikamente, die die Depression bessern sollen, hier anzugreifen, um dadurch einfach das Angebot in unserem Gehirn an eben diesen Neurotransmittern zu erhöhen.
Hier sind wir nun bei der Behandlung der Depression angekommen. Es kann eine medikamentöse Behandlung in Betracht gezogen werden, aber auch eine Psychotherapie, in der zum Beispiel versucht wird, durch das Antrainieren und Einüben von bestimmten Verhaltensweisen, die zu einer Besserung beitragen können, eine Linderung der Symptome oder gar eine Heilung zu erreichen. Im Grunde geht es bei der Behandlung der Depression auch darum, dem Menschen einen Weg zu zeigen, wie er mit seiner Gefühlswelt umgehen kann und wie der Mensch alles, was das Leben einem zu bieten hat, dazu beitragen kann, dem Sinn näher zu kommen. Wie man vielleicht sogar lernt die Depression als Geschenk zu sehen. Hierzu schrieb Rumi:
Das menschliche Dasein ist ein Gasthaus.
Jeden Morgen ein neuer Gast.
Freude, Depression und Niedertracht –
auch ein kurzer Moment von Achtsamkeit
kommt als unverhoffter Besucher.
Begrüße und bewirte sie alle!
Selbst wenn es eine Schar von Sorgen ist
die gewaltsam Dein Haus
seiner Möbel entledigt
Selbst dann behandle jeden Gast ehrenvoll
vielleicht reinigt er Dich ja
für neue Wonnen
Dem dunklen Gedanken, der Scham, der Bosheit-
begegne ihnen lachend an der Tür
und lade sie zu dir ein
Sei dankbar für jeden, der kommt
denn alle sind zu Deiner Führung geschickt worden
aus einer anderen Welt.
(Quelle: Barks, Coleman: Rumi. DIE MUSIK, DIE WIR SIND. 1. Auflage. Freiamt: Arbor Verlag, 2009. S. 33)
Nicht umsonst heißt es im Qur-an:
„Also, wahrlich, kommt mit der Drangsal die Erleichterung,(…)“. (94:6)
3 comments found